Militärgelände Schlutter

Schießstand, Munitionslager, Wachgebäude

Um die Wirtschaftskraft in der Stadt Delmenhorst zu erhöhen, bemüht sich die Stadt um eine Garnison. Am 2. November 1934 wird ein Vertrag zwischen der Stadt Delmenhorst und dem Deutschen Reichsfiskus (Heeresverwaltung) unterschrieben, wonach das Deutsche Reich nach Delmenhorst eine Garnison für ein Infanterie-Bataillon legen wird. Für diesen Zweck ist unter anderem ein über acht Hektar großes Gelände westlich des Waldes nördlich Schlutter zur Anlage eines Schulschießstandes zur Verfügung zu stellen. Die Fläche müssen drei Landeigentümer aus Schlutter abtreten. Die Kaufverträge mit dem Deutschen Reich werden 1936 vor dem vom Oberkommando des Heeres durch die Wehrkreisverwaltung X, Hamburg, zum Urkundsbeamten bestellten Stabszahlmeister Ferdinand v. Gruben, Delmenhorst, geschlossen. Nach dem am 11. Dezember 1936 mit dem Bauern Johann Heinrich Kunst geschlossenen Kaufvertrag beträgt der Kaufpreis bzw. die Entschädigung 4.900 Reichsmark je Hektar. Einem von Bauer Hermann Kunst, Schlutter, am 7. Juni 1948 an den Bürgermeister der Gemeinde Ganderkesee gerichtetes Gesuch um Rückgabe der im Jahre 1935 und 1936 teils enteigneten und teils verkauften Landes wird nicht stattgegeben.

Aufgrund des Vertrages vom 2. November 1934, „Garnisonsvertrag" genannt, werden bis zum Jahr 1938 Schießstände angelegt, Munitionsbunker gebaut, ein Dienst-/Wohngebäude und ein Stall-/Garagen-/Waschküchengebäude als Fachwerkhäuser errichtet. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes (14x10 Meter) sind der Wachraum, die Ruhe- und Aufenthaltsräume, ein Toiletten- und ein Waschraum für die Wachmannschaft. In das Obergeschoss zieht der zivile Feuerwerkermeister Magnus Hots mit seiner Familie ein. Hots ist gleichzeitig der Verwalter des Munitionslagers. Er wohnt hier bis 1959.

Nach dem 2. Weltkrieg (1939/45) finden Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus Schlesien, die u.a. aus Bunzlau, Strehlen und Friedrichstein stammen, in den Munitonsbunkern und einem Lagerschuppen eine Bleibe. Die Familie Stoppe aus Bunzlau zieht im November 1947 in das Dienst-/Wohngebäude. Im Mai 1951 muss die Familie ausziehen, da die englischen Streitkräfte das Haus benötigen.

1949 werden die 6,62 x 9,17 m großen Stahlbeton-Munitionsbunker mit einer Wandstärke von 35 cm, einer Deckenstärke von 40 cm und einer Raumhöhe von 2,30 m durch den Einbau von Trennwänden und Fenstern zu Wohnzwecken für heimatvertriebene Schlesier hergerichtet. Unter anderem zieht Familie Hahn in Bunker I, Familie Gittel und Familie Reß in Bunker VI, die Familien Zingel und Schuhmacher in den Lagerschuppen. Das Leben in den Bunkern hat 1951 ein Ende, da die britischen Streitkräfte in Schlutter Munition lagern wollen. Im Delmenhorster Kreisblatt ist am 15.11.2001 unter „vor 50 Jahren" (15. November 1951) zu lesen: „Ganderkesee. Von den 9 Siedlungshäuschen für die 12 Flüchtlingsfamilen (Vertriebenenfamilien), die in Schlutter die ehemaligen Bunker auf dem Schießstand räumen mußten, nachdem sie sich diese mit viel Fleiß und Mühe als Wohnungen eingerichtet hatten, sind sieben auf der Kleinen Esch entstehenden Bauten soweit fertiggestellt, daß morgen das Richtfest stattfinden kann. Die gegenwärtig behelfsmäßig untergebrachten Familien hoffen, recht bald ihre neuen Wohnungen beziehen zu können."

Am 9.12.1958 übergeben die britischen Streitkräfte Teile der Militär-Anlage der Bundesvermögensstelle in Oldenburg. Der Rest folgt im Dezember 1964. Das inzwischen über 14 Hektar große Militärgebiet wird jetzt von der Bundeswehr als Standort-Munitionslager genutzt. Die Wache ist im Hauptgebäude untergebracht. Am 31.12.1975 endet die militärische Nutzung des Munitionslagers. Munitionsbunker, Nissenhütten und Wachgebäude werden geräumt. Das Wachgebäude wird nur noch gelegentlich als Biwak-Gebäude von übenden Truppen benutzt, bis es der Kath. Pfarrgemeinde Allerheiligen in Delmenhorst ab 19. Januar 1982 zur Mitbenutzung übergeben wird. Der Kauf des Hauses mit einem Grundstück von 6.412 Quadratmetern erfolgt am 1. Oktober 1987. Ab 2. Juli 1988 wird das ehem. Stall-/Waschküchen- und Garagengebäude abgetragen und bis Oktober desselben Jahres auf dem Grundstück der Pfarrgemeinde Allerheiligen als Kapelle wieder aufgebaut.

Franziskus-Kapelle und Franziskushof

Wirtschaftsgebäude und Wach-/Wohngebäude

Im Jahr 2004 wird das Militärgelände an eine Delmenhorster Recycling-Firma verkauft. Die durch den neuen Eigentümer bereits begonnene Abholzung eines acht Hektar großen Waldes wird durch die Bürgerinitiative „Säge weg vom Schlutter-Wald" im Jahr 2012 verhindert.

Quellen:

  • Garnisonsvertrag
  • Kaufverträge
  • Gespräche mit Zeitzeugen

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